Ein spannendes Erlebnis. Das Geschehene ist bereits ein paar Monate her. Aber man möge mir zugestehen, dass ich ein wenig Zeit zur Aufarbeitung des Themas benötigte.
“Heute präsentiere ich die Statistik, morgen sorge ich für die korrekte Zahlenbasis und übermorgen präsentiere ich sie noch einmal.”
Kürzer kann ich das Erfahrene nicht zusammenfassen. Anfangs hatte mich der offensichtlich missliche Umstand etwas geärgert. Inzwischen empfinde ich nur noch Traurigkeit. Aus einem Grund, der mir bisher nicht bewusst war, war ich der Meinung, dass nur “wir” Arbeiter/Angestellte/mittleres und unteres Management zu leicht reaktiv getrieben werden (können). Getrieben von Anforderungen, die weder zeitlich, noch qualitativ mit den Mitteln umzusetzen sind, die uns an die Hand gegeben werden. Diese offensichtlich falsche Einstellung wurde durch die damalige Aktion weggewischt. Wie kam es dazu? Eine neue Aufgabe stand an: Zahlen liefern.
Nach sehr kurzer Vorankündigung erfolgte am gleichen Tag ein kurzes Management-Briefing (M-Manager, I-Ich):
M – “Wir haben vor, Kosten zu reduzieren.”
I – Herzklopfen
M – “Wir haben auch eine konkrete Idee, wie das geschehen soll. Die Idee wurde bereits präsentiert und die Umsetzung beschlossen”
I – Herzgaloppieren. Na schönen Dank auch. Was mache ich mit der neu gewonnenen Freizeit…
M – “Wir werden ein Reporting für die Einsparmaßnahme implementieren und regelmäßig an die Geschäftsführung berichten. Dazu benötige ich dringend Unterstützung.”
I – Erleichterte Verwirrung.
M – “Sie liefern die Zahlen und erstellen für die Vorstandspräsentation die notwendigen Folien für mich. Über ein Reporting werden wir nachweisen, dass die Kosten bereits sinken. Schließlich läuft das Projekt schon seit Januar.” (Es war Mai).
I -Aha, der direkte Zusammenhang von Zeit und Ergebnis erschließt sich mir hier zwar noch nicht. Aber die Botschaft ist wenigstens klar; dass ich noch kein Wort gesagt habe, scheint aber nicht zu stören.
M – “Wir haben bereits ein paar Folien präsentiert, aber die kamen nicht gut an. Die Sparziele zu gering, die Aufbereitung zu undurchsichtig. Ihre Kollegen haben schon eine Datenschnittstelle implementiert, kann ich auf Sie zählen?”
I – “Hört sich trotz der traurigen Umstände interessant an.” […] “Wie kommen Sie auf mich?”
M – “Sie wurden mir empfohlen.”
I – “Au weia.”
Das war die kurze Jungfrau & Kind Geschichte. Seither versuchte ich, die bereits vorhandenen Zahlen zu verstehen. Wie ich es auch drehte und wendete, ich kam immer auf andere Zahlen. Es gab ein paar Zwischenbreefings und verschiedene Rücklieferungen, aber das ungute Gefühl blieb. Als es dann daran war, Zahlen zu präsentieren nahm ich mir das, was nachweislich aus der direkten Quelle kam und packte es in eine Email. Kurze Zeit später (M): “Naja, vielleicht war die Datenbasis etwas ungenau.” Aha, denke ich mir. Vielleicht bin ich doch nicht so ´ne 1+1 Null, wie ich’s mir zuletzt eingeredet habe. Blut geleckt machte ich mich über die Datenbasis her.
Zwei Tage später. Verschiedenste gravierende Fehler wurden entfernt. Die Zahlenbasis war eine komplett Andere, als die, die die ersten Hochrechnungen hervorbrachten. Das blöde nur: Die ursprüngliche, falsche Zahlenbasis wurde bereits präsentiert. Daran wurden die Reduzierungsziele beschlossen und kommuniziert. Ich lieferte das gewünschte Reporting mit schönen Kuchendiagrammen. Aber leider unterschieden die sich inhaltlich komplett von dem, was in der Vergangenheit aufgelegt wurde. Und das Bescheidene an einem selbst gestrickten “on the fly” Reporting ist: Wer sagt mir, dass wirklich alle Fehler bereinigt sind?
Ich war in der glücklichen Situation, dass ich die Ergebnisse nicht präsentieren musste. Dennoch schmerzte mich dieses Umstand. Die alten Hochrechnungen wurden auf Basis eines reaktiven Verhaltens generiert. Auf Druck der Unternehmensführung wurden Zahlen geliefert. Um die Zahlen zu liefern wurde in Windeseile eine passende Reporting-Schnittstelle aufgesetzt. Diese Schnittstelle hatte Fehler. Diese Fehler entstanden durch den Mangel an Konzept, Zeit und Unterstützung. Das wirklich ekelhafte an der Geschichte ist aber: Jeder “wußte” es. Alle wussten (eigentlich) um die Gefahr einer solchen Fahrweise. Aber wie es manchmal auch bei mir der Fall ist: Die Gefahren werden beiseite geschoben um “in Time and Budget” zu sein – oder einfach “um gut dazustehen”. Die Quittung war schmerzhaft. Und geholfen hatte die Eile zuletzt niemanden.
Wie kam es dazu? Wurden die Risiken aufgeführt? Gab es womöglich kein Verständnis für eine fehlende Schnittstelle? Warum darf eine solche Anforderung für den Fachbereich keine Herausforderung sein? Stellte ich die falschen Fragen?
Wie dem auch sei, die Zahlen habe ich ungeschönt und mit Quellenangaben geliefert. Was konnte ich aus dieser Erfahrung mitnehmen? Ich nahm mir vor nie müde zu sein, mein Umfeld und mir selbst stetig erneut zu erklären: Reaktives Handeln lässt auf eine mangelhafte Koordination vorab schließen. Bleibe realisitisch in der Einschätzung benötigter Zeit. Weise Dein Umfeld auf Risiken hin. Versuche nicht, diese Risiken alleine zu tragen. Lasse dir helfen. Rechtzeitig. Mit Artikeln wie diesen erinnere ich mich wieder an die guten Vorsätze. Ein weiterer Vorteil der späten Berichtserstattung 😉
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