Kanban2learn – Vom Manager zum Coach

Heute wieder ein kurzer Erfahrungsbericht.

Ich wurde als “Projektleiter” beauftragt. Das Projektteam ist fachlich sehr gut aufgestellt. Das Thema Projektmanagement allerdings ziemlich neu. Der Auftrag kam, nachdem “das Vorhaben” bereits seit einigen Monaten durch denselben Personenkreis betreut wurde. Warum die Rolle “Projektleiter”? Folgend exemplarische Aussagen:

  • “Ich kenne den aktuellen Stand nicht” / “Nichts ist passiert”
  • “Es gibt keine klaren Vorgaben”
  • “Das Thema xyz aus dem Vorhaben liegt nun das dritte Mal bei mir auf dem Tisch”
  • “Das … ist so nicht möglich”
  • “Kein einziger Termin wurde gehalten”
  • “Die Termine werden zu kurzfristig kommuniziert”
  • “Niemand fühlt sich verantwortlich”

Meine ersten zwei Tage:

Superheldenkostüm übergestreift und angetreten; Einzelgespräche & Teaminterviews durchgeführt; Projektziele gesammelt; Dokumentationen gesichtet; offene Punkte aufgelistet; Superheldenkostüm in die Tonne getreten; Überblick noch immer nicht gefunden; Kanbanboard, Zettel und Stifte ausgepackt; Jour-Fixe “Kanbanreview” und “Rücksprache Chef” eingerichtet.

[Zeitlicher Sprung] die folgend dargestellte Kanbanabwandlung / -Variante begeistert mich. Diese positiven Entwicklungen sind seither spürbar:

  1. Das Team fühlt sich sicherer
  2. Der Auftraggeber erhält regelmäßig klares Feedback
  3. Probleme werden offen kommuniziert
  4. Änderungswünsche werden nicht geblockt, sondern diskutiert, geschätzt und möglichst integriert
  5. Eskalationen werden rechtzeitig angestoßen
  6. Die Besprechungsdichte ist deutlich gesunken (Verhältnis “bla” zu Inhalt hat sich verbessert 😉
  7. Ein hoher Lerneffekt bezüglich: Termine, Abhängigkeiten, Schätzungen im Team
  8. Vertrauen auf allen Seiten

Jetzt zum “Wie”:

Die einzelnen Kanban-Karten haben wir wie folgt unterteilt:

  • Links oben die Aufgabe, wie in der klassischen Variante (erklärt z.B. bei it-agile).
  • Rechts oben ein kleines Fenster für zeitliche Angaben (unter dem Bild mehr dazu).
  • Links unten die verantwortliche Person (die sich freiwillig dazu bekennt).
    Warum freiwillig? Gegenfrage: Wozu eine Aufgabe jemanden aufzwingen? Wie mag es da wohl mit der Motivation stehen? Tipp: Bei fehlenden Freiwilligen eine Person vorschlagen. Der Rest geht von alleine (von “Einsehen” bis der Verhandlung unter Teammitgliedern).
  • Rechts unten Personen/Gruppen, zu denen eine Abhängigkeit oder eine Beziehung besteht (Stakeholder, Lieferanten, weitere Teams…).
    Warum? Kommunikation. Ich erkenne, wen ich informieren muss, woher/wohin Informationen fließen, welche Form der Kommunikation nötig ist und wer die Kommunikation übernehmen sollte.

Hier eine Zeichnung zur aushängenden Erklärkarte. Es hängt tatsächlich eine entsprechende Karte neben dem Kanban:

Die Erklär-Karte. Ebenfalls auf dem Kanban-Board angebracht.
Die Erklärkarte. Ebenfalls auf dem Kanbanboard angebracht.

O.k., wie eine Karte aufgebaut ist, wissen wir. Bevor es zur Klärung der zeitlichen Komponente auf der Karte geht, eine Gesamtsicht des Kanbanboards inklusive attraktivem Teammitglied daneben:

Die Gesamtsicht auf das Kanban Board.
Die Gesamtsicht auf das Kanban Board.

Wir unterscheiden zwischen:

  • “Cool Stuff” -> Ideen, die wirklich gut sind oder gut klingen – aktuell aber nicht wirklich in den Ablauf passen. Warum deswegen wegdiskutieren? Aufschreiben und aufhängen! Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit.
  • “ToDos” -> vom Team oder Auftraggeber gesammelte Aufgaben. Vor dem Anbringen einer Kanbankarte durch das Team wird die Anforderung (User Story, Problemstellung…) auf greifbare Aufgabengrößen heruntergebrochen. Es sind also keine Userstorys, etc. die hier auf der Fläche angebracht werden. Kleiner – Aufgaben, die in sich geschlossen und in übersichtlichen Zeiträumen abgearbeitet werden können (zeitlich schätzbar).
  • “(this) week” -> Tätigkeiten, die in der aktuellen Woche (bei Montagmorgen Meetings) oder in der Folgewoche (bei Anbringen an späteren Wochentagen; bei uns ab Mittwoch) durchgeführt werden.
  • “(this) month” -> Tätigkeiten, die im aktuellen Monat (bei Anbringung vor oder während der ersten Woche eines Monats) durchgeführt werden.
  • “Done” -> erledigt / Angeberablage. Tatsächlich wichtig um die Information der Fertigstellung entsprechend zu verteilen.

Jetzt zur zeitlichen Komponente:

Durch die Aufteilung zwischen “(this) week” und “(this) month” entsteht ein nicht dargestelltes Zeitfenster. Im extremsten Fall die Zeit zwischen der ersten Woche eines Monats und dem Monatsende. Daher werden im Fenster rechts oben Striche angegeben. Jeder Strich entspricht einer Woche. Die Erklärung anhand zwei Beispielen:


Woche 1:

Wenn die, für die Aufgabe verantwortliche, Person A sagt: “Für die Aufgabe abc benötige ich eine Woche, wird die Kanban-Karte in die Rubrik “(this) week” geschoben.
– Als Moderator nehme ich die Wette an (um nichts anders handelt es sich für mich) und wette um einen Kaffee.

Wenn die, für die Aufgabe verantwortliche, Person B sagt: “Für die Aufgabe xyz benötige ich zwei Wochen, wird die Kanban-Karte in die Rubrik “(this) week” geschoben. Auf der Karte werden mit Kugelschreiber zwei Striche im Bereich rechts oben eingetragen.
– Als Moderator nehme ich die Wette an (um nichts anders handelt es sich für mich) und wette um einen Kaffee.


Woche 2:

Person A konnte die Aufgabe abc fertigstellen. Die Karte wird von “(this) week” auf “Done” geschoben. Tolles Gefühl, Aufgabe erledigt.
– Als Moderator habe ich die Kaffee-Wette verloren.

Person B hat die Aufgabe xyz noch nicht fertig gestellt. Kein Problem. Schließlich hat sie mit zwei Wochen gewettet.


Woche 3:

Person B hat die Aufgabe xyz noch nicht fertiggestellt. Schade. Der Kaffee gehört mir.

=> In der Praxis wird das nicht die einzige Wette sein, die Ihr gewinnt. Gerade zu Beginn im “projektfremden” Team wird Euch das sehr häufig passieren. Umso schneller die Aufklärung beginnt, umso schneller verliere ich meine Wetten. Genau das muss das Ziel sein. Denn im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Schätzungen präziser werden. Inzwischen werde ich ca. einen Monat lange die Kaffeetante spielen. Und ich freue mich sehr darüber. Das Wetten übernimmt inzwischen das Projektteam unter sich. Vollkommen selbstständig und nur noch, wenn die alte “Überschätzeritis” wieder einsetzt.

Ein paar Fragen, die wir uns bei der Diskussion um die Kaffeeschulden gestellt haben, klärten in unserer Situation einen Großteil der Ursachen. Auch die möchte ich Euch nicht vorenthalten:

  • Wie präzise kann ich eine Aufgabe abschätzen, bei der ich auf Dritte angewiesen bin?
  • Wann wird eine Aufgabe vom Auftraggeber als abgeschlossen betrachtet?
  • Ist die angegebene Aufgabe möglicherweise zu groß für ein Zeitfenster von einer Woche? -> Muss sie weiter unterteilt werden?
  • Bestehen Abhängigkeiten zwischen zwei Aufgaben, die in einer zeitlichen Ebene hängen (Vorsicht: Lawinengefahr 🙂

Probiert es aus und lasst von Euch hören!

Share on:

Post a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.