Facilitation mit Liberating Structures

Facilitation in Action

Facilitation mit Liberating Structures

 

Das gute Kommunikation immer noch der entscheidende Faktor für erfolgreiche Projekte ist, gilt als unbestritten. Da spielt es auch keine Rolle, ob du als Projektmanager, Scrum Master oder agiler Coach tätig bist. Die Frage bleibt nur, wie stellst du genau diesen Austausch sicher? Wie schaffst du es alle Teammitglieder, Kunden und Stakeholder zu integrieren bzw. sie dazu zu bringen, sich zu engagieren? Wenn du dann nach Lösungsansätzen suchst, wirst du schnell darauf stoßen, dass du kreativ und innovativ sein musst und als Facilitator wirken sollst. Das hört sich dann stets toll an, aber wie es in der Praxis funktionieren soll, bleibt häufig im Dunkeln verborgen. Einen konkreten Ansatz, der Licht ins Dunkel bringen kann, sind die Liberating Structures.

Nehmt euch doch mal ein paar Minuten und reflektiert die letzten Meetings, in denen ihr teilgenommen habt. Wie sind diese Treffen abgelaufen? Nachfolgend findet ihr meine fünf primären Beobachtungen, die ich in Meetings gesammelt habe. Gleicht diese doch einmal mit euren Erfahrungen ab:

 

  • Es redet primär eine Person und der Rest hört zu.
  • Wenn es Wortbeiträge aus der Runde gibt, stammen sie zumeist von den extrovertierten, sprachlich gewandten Teilnehmern.
  • Die Scheu introvertierter Personen, sich in der Gruppe zu Wort zu melden.
  • Teilnehmer sind eher frustriert statt motiviert und gute Ideen und Lösungsansätze entstehen nur selten.
  • Treffen laufen immer nach demselben Schema F ab.

 

Meetings (egal ob Statusmeeting, Jour fixe, Präsentation, Brainstormings oder offene Diskussionen) sind in der Regel mehr Zeit- und Ressourcenfresser als das sie großen Nutzen erzeugen. Grund hierfür ist, dass sie entweder zu starr sind oder zu locker und desorganisiert. Dies Erfahrung machten auch die beiden Erfinder der Liberating Structures,Henri Lipmanowicz und Keith McCandless. Aus diesem Grunde entwickelten sie 33 Mikrostrukturen die Alternativen zur klassischen Kommunikation im beruflichen Kontext darstellen.

 

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Quelle: www.LiberatingStructures.de – Common Creative Lizenz

Darauf basieren die Liberating Structures

Der Grundgedanke der Liberating Structures war es ein Methoden-Set zu entwickeln, welches einfach und schnell zu erlernen ist, alle Beteiligten involviert aber auch eine klare Struktur aufweist und den Fokus nicht verliert. Aber Liberating Structures sind mehr als eine Methodensammlung. Sie basieren auf einer offenen und aktiven Haltung aller Beteiligten. Das grundlegende Prinzip basiert darauf, Wissen zu teilen und Kollaboration zwischen allen Beteiligten auf Augenhöhe zu fördern. Die Mikrostrukturen heißen nicht umsonst „befreiend“, denn sie ermöglichen es in relativ kurzer Zeit gegenseitiges Verständnis und eine gemeinsame Marschrichtung zu entwickeln. Lipmanowicz und McCandless fassen dieses zugrunde liegende Mindset in den folgenden 10 Prinzipien zusammen:

  1. Alle einbeziehen und sie animieren sich frei zu äußern
  2. Gegenseitiger tiefer Respekt und das Fördern lokaler Lösungen
  3. Bei jedem Schritt vertrauen innerhalb der Gruppe aufbauen
  4. Lernen durch Scheitern (Dinge ausprobieren, die auch nicht funktionieren können)
  5. Die eigene Meinung in der Gruppe entdecken und andere Meinungen akzeptieren
  6. Stärkung von Freiheit und Verantwortung
  7. In Alternativen und Möglichkeiten denken und glauben
  8. Innovation ermöglichen durch „kreative Zerstörung“
  9. Wecken von ernsthaft verspielter Neugier
  10. Kein Start ohne klaren Zweck

Wie man unschwer erkennen kann, orientieren sich die Liberating Structures an Werten, die ihr auch aus den agilen Frameworks kennt: Offenheit, Transparenz, Kommittent, Mut, Respekt und Reflexion.

Um diese Haltung zu unterstreichen entschieden sich die Autoren der Liberating Structures diese via Open Source zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls frei verfügbar ist eine entsprechende App für Android und Apple, die alle 33 Strukturen vorstellt und erklärt.

 

Die 5 Design Elemente der Kommunikation

Jegliche Kommunikation bzw. Interaktion zwischen Menschen kann mit denselben fünf Gestaltungselementen beschrieben werden:

  • Einladung
  • Anordnung des Raumes
  • Zeiteinteilung
  • Gruppeneinteilung
  • Verteilung von Teilhabe und Mitwirkung

Lasst mich das Ganze an einem Beispiel etwas näher beleuchten. Stellen wir uns einen Lenkungsausschuss vor, bei dem der Projektleiter zunächst die Ergebnisse präsentiert und anschließend zu einer Diskussion hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen einlädt.

 

Ergebnispräsentation Offene Diskussion
Einladung Hört mir von Anfang bis Ende zu Bringe das ein, was du für nötig erachtest
Anordnung des Raumes Projektleiter präsentiert, alle Teilnehmer blicken in dieselbe Richtung (z.B. Folien) Alle im Raum Anwesenden sitzen verteilt im Raum
Zeiteinteilung 95% Monolog + ggf. Zwischenfragen (Offene) Diskussion
Gruppeneinteilung Eine Person vor Gruppe Alle im Raum Anwesenden
Verteilung von Teilhabe und Mitwirkung Einer spricht, die anderen hören zu Jeder kann seinen Beitrag leisten

Bei der Präsentation ist eine Partizipation aller nur bedingt ermöglicht (außer jemand grätscht während der Präsentation ständig dazwischen). Die Anwesenden sind zur reinen Zuhörer-Rolle verdammt. Bei der offenen Diskussion sind zwar theoretisch alle gleichberechtigt ihren Input zu liefern, in der Regel werden aber die Lauteren sich mehr Gehör verschaffen als die Leiseren.

Die Liberating Structures haben sich zum Ziel gesetzt, alle Beteiligten möglichst gleichmäßig in die Interaktion zu involvieren. Auf Basis dieser fünf Designelemente versuchen sie sicherzustellen, dass dies auf einfache Art und Weise gewährleistet werden kann. Bei jeder Mikrostruktur ist folglich klar definiert, wie die Redezeit verteilt ist, wie die Gruppeneinteilung stattfindet, welche Materialien zur Verfügung gestellt werden und wie das Setting im Raum aussehen muss. Ebenfalls ist eine zweckgebundene Einladung fester Bestandteil jeder Liberating Structure. Es gilt stets die Gruppe abzuholen und den Fokus zu schärfen. Dies erfolgt jedoch nicht durch die Vorgabe einer klaren Richtung, sondern durch das klare Benennen der anstehenden Herausforderung – am besten in Form von ergebnisoffenen Fragen.

 

Liberating Structures im Einsatz

Grundsätzlich lassen sich die 33 Mikrostrukturen in unterschiedliche Anwendungsgebiete einordnen:

  1. Teilen oder Verbreiten (Diese Strukturen helfen Ideen, Know-how und Erfahrungen auszutauschen)
  2. Offenlegen, Entdecken, Erschaffen oder Verbessern
  3. Untersuchen, Erkennen, Klären und Detaillieren
  4. Helfen, Hilfe bekommen und Zusammenarbeiten
  5. Strategie entwerfen
  6. Planen

Manche der Liberating Structures kommen nur in einem Anwendungsgebiet vor, andere hingegen in mehrere. Wenn ihr mit Liberating Structures startet, empfehle ich euch, mit einer einfachen Struktur zu beginnen.

Eine häufig angewendete Struktur ist das in Kategorie 2 beheimatete 1-2-4-all. Diese einfach und vielfältig einsetzbare Technik startet damit, dass sich jeder Teilnehmer zunächst selbst Gedanken zu einer Problemstellung macht und diese zu Papier bringt. Anschließend werden Paare gebildet, bei denen jeder seine Idee kurz vorstellt und sich mit dem Partner austauscht. Gemeinsam werden dann die Ideen kombiniert, weiterentwickelt und wieder notiert – so dass eine gemeinsame Idee entsteht. Im dritten Schritt verbinden sich zwei Paare zu einer Vierergruppe. Auch hier werden die Ideen analog zum vorherigen Schritt geteilt und verfeinert. Im letzten Schritt stellt dann die Vierergruppe ihre gemeinsame Idee im Plenum vor. Innerhalb von einer 15 Minuten schaffen es alle Teilnehmenden so, ihre Gedanken aktiv auszutauschen, Verbindungen zu knüpfen und erste Ideen zu generieren. Diese Mikrostruktur hilft erste Hemmungen der Teilnehmer zu überwinden und eine Basis für die nächsten Schritte zu schaffen.

Wenn ihr nun erste Erfahrungen mit den Liberating Structures gesammelt habt, könnt ihr damit beginnen einzelne Strukturen miteinander zu kombinieren. Um euch diesen Einstieg etwas leichter zu gestalten, gibt es auf der Webseite von www.liberatingstructures.de einen sogenannten Matchmaker. Dieser hilft dir basierend auf deinem Anliegen, die passenden Mikrostrukturen zu finden. Verkettet ihr nun passende Mikrostrukturen miteinander, so bildet ihr sogenannte „Strings“. Diese Verkettung ist insbesondere bei komplexeren Problemstellungen nötig und kann helfen immer wieder frischen Wind in eingeschliffene Kommunikationsmuster zu bringen.

 

Fazit

Liberating Structures sind ein sehr hilfreiches Set an Werkzeugen, um Kommunikation in Gruppen zu strukturieren, besser zu takten und letztendlich erfolgreicher zu machen. Wenn ihr ein wenig experimentierfreudig seid, werdet ihr sehen, wie ihr es schaffen werdet, alle Beteiligten aktiv zu integrieren und die Gruppe selbstverantwortlich eigenständige Ergebnisse produzieren zu lassen. durch die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten kann es auch immer wieder gelingen einen frischen Wind in die Runde zu bekommen, sodass die heutige Meeting-Frustration hoffentlich bald euer Schnee von gestern ist.

 

Hinweis: Diesen Artikel habe ich initial für den Capterra Blog geschrieben, auf dem ihr hier noch mehr Spannendes zum Thema leichtgewichtige PM-Tools findet

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